Wie funktioniert eine Turbomolekularpumpe?
Das seit 1913 bekannte Prinzip der Molekularpumpe beruht darauf, dass die abzupumpenden Gaspartikel durch den Aufprall auf die sich schnell bewegenden Oberflächen eines Rotors einen Impuls in der erforderlichen Strömungsrichtung erhalten. Die Oberflächen des in der Regel scheibenförmigen Rotors bilden mit den feststehenden Oberflächen eines Stators Zwischenräume, in denen das Gas zum Vorvakuumanschluss transportiert wird. Bei der ursprünglichen Gaede-Molekularpumpe und deren Modifikationen waren die Zwischenräume (Transportkanäle) sehr eng, was zu Konstruktionsschwierigkeiten und einer hohen Anfälligkeit für mechanische Verunreinigungen führte.
Funktionsprinzip einer Turbomolekularpumpe
Ende der fünfziger Jahre wurde es möglich, durch eine turbinenähnliche Konstruktion und durch Abwandlung der Ideen von Gaede eine technisch brauchbare Pumpe herzustellen, die Turbomolekularpumpe. Die Abstände zwischen den Stator- und den Rotorscheiben wurden in der Größenordnung von Millimetern hergestellt, so dass wesentlich größere Toleranzen erreicht werden konnten. Dadurch wurde eine größere Sicherheit im Betrieb erzielt. Ein nennenswerter Pumpeffekt wird jedoch erst erreicht, wenn die Umfangsgeschwindigkeit (am Außenrand) der Rotorblätter die Größenordnung der mittleren thermischen Geschwindigkeit der abzupumpenden Moleküle erreicht. Die kinetische Gastheorie liefert für c- o die Gleichung 1.17:
in der die Abhängigkeit von der Gasart in Abhängigkeit von der Molmasse M enthalten ist. Die Berechnung mit cgs-Einheiten (wobei R = 83,14 · 106 mbar · cm3/mol · K) ergibt die folgende Tabelle:
Dagegen ist die Abhängigkeit des Saugvermögens von der Gasart relativ gering
Die Abhängigkeit der Kompression k0 bei Nulldurchsatz und damit auch der Kompression k ist wegen
größer, wie die experimentell ermittelte Beziehung in Abb. 2.55 zeigt.
Beispiel:
Aus der Theorie folgt
Dies stimmt wie erwartet (Größenordnung) mit dem experimentell ermittelten Wert für k0(N2) = 2,0 · 108 aus Abb. 2.55 überein. Angesichts der heute üblichen Optimierungen für die einzelnen Rotorstufen ist diese Betrachtung für die gesamte Pumpe nicht mehr korrekt. In Abb. 2.56 sind die Werte gezeigt, die für eine moderne TURBOVAC 340 M gemessen wurden.
Sehen Sie sich das Video unten an, um eine Animation einer Turbomolekularpumpe in Aktion zu sehen
Vor- und Nachteile von Turbomolekularlagertypen
Um die Betriebsbedingungen zu erfüllen, ist für Turbomolekularpumpen eine Umfangsgeschwindigkeit für den Rotor in der gleichen Größenordnung wie c erforderlich. Dafür sind hohe Rotordrehzahlen erforderlich. Sie reichen von etwa 36.000 U/min für Pumpen mit einem großen Rotordurchmesser (TURBOVAC 1000) bis zu 72.000 U/min bei kleineren Rotordurchmessern (TURBOVAC 35/55). Derart hohe Drehzahlen werfen natürlich die Frage nach einem zuverlässigen Lagerkonzept auf. Leybold bietet drei Konzepte an, deren Vor- und Nachteile im Folgenden näher erläutert werden:
Ölschmierung/Stahlkugellager
+ Gute Kompatibilität mit Partikeln durch zirkulierendes Ölschmiermittel
- Kann nur vertikal montiert werden
+ Geringer Wartungsbedarf
Fettschmierung/Hybridlager
+ Einbau in beliebiger Ausrichtung
+ Geeignet für mobile Systeme
± Luftkühlung ist für viele Anwendungen geeignet
+ Dauerschmierung (der Lager)
Schmiermittelfrei/Magnetaufhängung
+ Keine Abnutzung
+ Wartungsfrei
+ Absolut frei von Kohlenwasserstoffen
+ Niedriger Geräusch- und Schwingungspegel
+ Einbau in beliebiger Ausrichtung
Stahlkugellager/Hybridkugellager (Kugellager aus Keramik):
Selbst ein kurzer Riss im dünnen Schmierfilm zwischen den Kugeln und den Laufringen kann bei Verwendung desselben Werkstofftyps zu Mikroschweißungen an den Kontaktpunkten führen. Dadurch wird die Lebensdauer der Lager erheblich verkürzt. Durch die Verwendung unterschiedlicher Werkstoffe in sogenannten Hybridlagern (Laufringe aus Stahl, Kugeln aus Keramik) wird der Effekt des Mikroschweißens vermieden.
Das eleganteste Lagerkonzept ist das der Magnetaufhängung. Bereits 1976 stellte Leybold magnetgelagerte Turbomolekularpumpen bereit – die legendären Serien 550M und 560M. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine rein aktive Magnetaufhängung (d. h. mit Elektromagneten) verwendet. Fortschritte in der Elektronik und der Einsatz von Permanentmagneten (passive Magnetaufhängung) auf der Grundlage des „System KFA Jülich“ erlaubten es, das Konzept der Magnetaufhängung weiterzuentwickeln. Bei diesem System wird der Rotor durch Magnetkräfte in einer stabilen Position ohne Berührung während des Betriebs gehalten. Es sind absolut keine Schmiermittel erforderlich. Für die Abschaltung sind sogenannte Aufsetzlager integriert.
Schematische Darstellung einer Turbomolekularpumpe
Abb. 2.52 zeigt eine Schnittzeichnung einer typischen Turbomolekularpumpe. Bei der Pumpe handelt es sich um einen vertikalen Axialkompressor, dessen aktiver oder pumpender Teil aus einem Rotor (6) und einem Stator (2) besteht. Turbinenschaufeln befinden sich um die Umfänge von Stator und Rotor. Jedes Rotor-Stator-Paar aus kreisförmigen Schaufelreihen bildet eine Stufe, sodass die Baugruppe aus einer Vielzahl von in Reihe montierten Stufen besteht. Das zu fördernde Gas gelangt direkt durch die Öffnung des Einlassflansches (1), d. h. ohne Verlust der Leitfähigkeit, in den aktiven Pumpbereich der oberen Schaufeln der Rotor-Stator-Baugruppe. Diese ist mit Schaufeln besonders großer radialer Spannweite ausgestattet, um eine große ringförmige Einlassfläche zu ermöglichen. Das in diesen Stufen aufgefangene Gas wird auf die unteren Verdichtungsstufen übertragen, deren Schaufeln kürzere radiale Spannweiten haben, wo das Gas auf Gegendruck oder Grobvakuumdruck verdichtet wird. Der Turbinenrotor (6) ist auf der Antriebswelle montiert, die von zwei Präzisionskugellagern (8 und 11) getragen wird, die im Motorgehäuse untergebracht sind. Die Rotorwelle wird direkt von einem Mittelfrequenzmotor angetrieben, der sich im Vorvakuumraum im Rotor befindet, so dass keine Drehwellendurchleitung zur Außenatmosphäre erforderlich ist. Dieser Motor wird mit Strom versorgt und automatisch von einem externen Frequenzumrichter gesteuert, normalerweise einem Festkörper-Frequenzumrichter, was einen sehr niedrigen Geräuschpegel gewährleistet. Für spezielle Anwendungen, z. B. in Bereichen, die Strahlung ausgesetzt sind, werden Frequenzumrichter von Motorgeneratoren verwendet.
- Hochvakuumeinlassflansch
- Statorgruppe
- Entlüftungsflansch
- Vorvakuumflansch
- Splitterschutz
- Rotor
- Pumpengehäuse
- Kugellager
- Kühlwasseranschluss
- Drehstrommotor
- Kugellager
Die vertikale Konfiguration aus Rotor und Stator sorgt für optimale Strömungsbedingungen des Gases am Einlass. Um einen vibrationsfreien Betrieb bei hohen Drehzahlen zu gewährleisten, wird die Turbine während der Montage dynamisch auf zwei Ebenen ausbalanciert.
Saugvermögen von Turbomolekularpumpen
Die Eigenschaften des Saugvermögens (Volumenstrom) von Turbomolekularpumpen sind in Abb. 2.53 dargestellt. Das Saugvermögen bleibt über den gesamten Betriebsdruckbereich konstant. Es sinkt bei Einlassdrücken über 10-3 mbar, da dieser Schwellenwert den Übergang vom Bereich der Molekularströmung zum Bereich der laminaren viskosen Strömung von Gasen kennzeichnet. Abb. 2.54 zeigt außerdem, dass das Saugvermögen von der Art des Gases abhängt.
Verdichtungsverhältnis von Turbomolekularpumpen
Das Verdichtungsverhältnis (oft auch als Kompression bezeichnet) von Turbomolekularpumpen ist das Verhältnis zwischen dem Partialdruck einer Gaskomponente am Vorvakuumflansch der Pumpe und dem am Hochvakuumflansch: Die maximale Verdichtung k0 ist bei Nulldurchgang vorhanden. Aus physikalischen Gründen ist das Verdichtungsverhältnis von Turbomolekularpumpen bei schweren Molekülen sehr hoch, bei leichten Molekülen jedoch deutlich niedriger. Das Verhältnis zwischen Verdichtung und Molekularmasse ist in Abb. 2.55 dargestellt. In Abb. 2.56 sind die Verdichtungskurven einer TURBOVAC 340 M für N2, He und H2 in Abhängigkeit vom Gegendruck zu sehen. Aufgrund des hohen Verdichtungsverhältnisses bei schweren Kohlenwasserstoffmolekülen können Turbomolekularpumpen ohne Hilfe von einem oder mehreren gekühlten Luftleitblechen oder Abscheidern direkt an eine Vakuumkammer angeschlossen werden, ohne dass das Risiko eines messbaren Partialdrucks für Kohlenwasserstoffe in der Vakuumkammer besteht (kohlenwasserstofffreies Vakuum! Siehe auch Abb. 2.57: Restgasspektrum oberhalb einer TURBOVAC 361). Da der von der rotierenden Vorpumpe erreichte Wasserstoffpartialdruck sehr niedrig ist, kann die Turbomolekularpumpe trotz ihrer relativ mäßigen Verdichtung für H2 den Enddruck im Bereich von 10-11 mbar erreichen. Um solche extrem niedrigen Drücke zu erzeugen, müssen natürlich die allgemeinen Regeln der UHV-Technologie strikt eingehalten werden: Die Vakuumkammer und der obere Teil der Turbomolekularpumpe müssen ausgeheizt und Metalldichtungen müssen eingesetzt werden. Bei sehr niedrigen Drücken besteht das Restgas hauptsächlich aus H2, das aus den Metallwänden der Kammer stammt. Das Spektrum in Abb. 2.57 zeigt die Zusammensetzung des Restgases vor dem Einlass einer Turbomolekularpumpe bei einem Enddruck von 7 · 10-10 mbar Stickstoffäquivalent. Es scheint, dass der Anteil von H2 an der Gesamtmenge des Gases etwa 90 bis 95 % beträgt. Der Anteil der „schwereren“ Moleküle ist erheblich reduziert und Massen von mehr als 44 konnten nicht nachgewiesen werden. Ein wichtiges Kriterium bei der Bewertung der Qualität eines Restgasspektrums sind die messbaren Kohlenwasserstoffe der im Vakuumpumpensystem eingesetzten Schmiermittel. Ein „absolut kohlenwasserstofffreies Vakuum“ kann natürlich nur mit schmierstofffreien Pumpensystemen erzeugt werden, z. B. mit magnetgelagerten Turbomolekularpumpen und trockenverdichtenden Vorpumpen. Bei ordnungsgemäßem Betrieb (Entlüftung bei jedem Stillstand) sind auch im Spektrum der normalen Turbomolekularpumpen keine Kohlenwasserstoffe nachweisbar.
M = Massenzahl = relative Molmasse bei einer Ionisation 1
I = Ionenstrom
Weitere Typen von Turbomolekularpumpen
Eine Weiterentwicklung der Turbomolekularpumpe ist die Hybrid- oder Compound-Turbomolekularpumpe. Dies sind eigentlich zwei Pumpen auf einer gemeinsamen Welle in einem einzigen Gehäuse. Die Hochvakuumstufe für den molekularen Strömungsbereich ist eine klassische Turbomolekularpumpe, die zweite Pumpe für den viskosen Strömungsbereich ist eine Molekularschlepp- oder -reibungspumpe.
Leybold stellt Pumpen wie die TURBOVAC 55 mit integrierter Holweck-Stufe (Schraubenkompressor) und beispielsweise die HY. CONE 60 oder HY. CONE 200 mit integrierter Siegbahn-Stufe (Spiralkompressor) her. Der erforderliche Gegendruck beträgt dann einige mbar, so dass die Vorpumpe nur noch von ca. 5 bis 10 mbar auf atmosphärischen Druck verdichten muss. Eine Schnittansicht einer HY. CONE ist in Abb. 2.52a zu sehen.
- Vakuumanschluss
- Hochvakuumflansch
- Rotor
- Stator
- Lager
- Motor
- Ventilator
- Lager
Betrieb von Turbomolekularpumpen mit einer Vorpumpe
In der Regel sollten Turbomolekularpumpen zusammen mit der Vorpumpe gestartet werden, um den Rückstrom von Öl von der Vorpumpe in die Vakuumkammer zu reduzieren. Ein verzögerter Start der Turbomolekularpumpe ist sinnvoll bei eher kleinen Vorpumpen und großen Vakuumkammern. Bei einem bekannten Saugvermögen der Vorpumpe von SV(m3/h) und einem bekannten Volumen der Vakuumkammer (m3) kann der Einschaltdruck für die Turbomolekularpumpe geschätzt werden:
Gleichzeitiger Start, wenn
2.24 a
und verzögerter Start, wenn
2.24 b
bei einem Einschaltdruck von:
2.24 c
Gleichzeitiger Start, wenn
und verzögerter Start, wenn
bei einem Einschaltdruck von:
Bei der Evakuierung größerer Volumina kann der Einschaltdruck für Turbomolekularpumpen auch mit Hilfe des Diagramms in Abb. 2.58 bestimmt werden.
Verhindern der Rückdiffusion in Turbomolekularpumpen durch Entlüftung
Nach dem Ausschalten oder im Falle eines Stromausfalls sollten Turbomolekularpumpen immer entlüftet werden, um eine Rückdiffusion von Kohlenwasserstoffen von der Vorvakuumseite in die Vakuumkammer zu verhindern. Nach dem Ausschalten der Pumpe sollte auch die Kühlwasserversorgung abgeschaltet werden, um eine mögliche Kondensation von Wasserdampf zu verhindern. Um den Rotor zu schützen, wird empfohlen, die in der Betriebsanleitung angegebenen (minimalen) Entlüftungszeiten einzuhalten. Die Pumpe sollte (außer bei Betrieb mit einem Sperrgas) über den Entlüftungsflansch entlüftet werden, der bereits eine gesinterte Metalldrossel enthält, damit die Entlüftung über ein normales Ventil oder ein Entlüftungsventil bei Stromausfall erfolgen kann.
Sperrgasbetrieb
Bei Pumpen mit einer Sperrgaseinrichtung kann Inertgas, wie z. B. Trockenstickstoff, durch einen speziellen Flansch zugesetzt werden, um den Motorraum und die Lager vor aggressiven Medien zu schützen. Ein spezielles Sperrgas- und Entlüftungsventil misst die erforderliche Menge an Sperrgas und kann auch als Entlüftungsventil dienen.
Entkopplung von Vibrationen
TURBOVAC-Pumpen sind genau ausgewuchtet und können in der Regel direkt an das Gerät angeschlossen werden. Nur bei hochempfindlichen Instrumenten, wie z. B. Elektronenmikroskopen, wird empfohlen, Schwingungsabsorber zu installieren, die die vorhandenen Vibrationen auf ein Minimum reduzieren. Bei magnetgelagerten Pumpen reicht aufgrund der extrem niedrigen Schwingungen, die von diesen Pumpen erzeugt werden, normalerweise ein direkter Anschluss an das Vakuumgerät.
Für spezielle Anwendungen wie den Betrieb in starken Magnetfeldern, strahlungsgefährdeten Bereichen oder in einer Atmosphäre mit Tritium wenden Sie sich bitte an unsere Vertriebsabteilung, die über die erforderliche Erfahrung verfügt und Ihnen jederzeit zur Verfügung steht.
Grundlagen der Vakuumtechnik
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Referenzen
- Vakuumsymbole
- Glossar der Einheiten
- Verweise und Quellen
Vakuumsymbole
Eine Übersicht der Symbole, die in der Vakuumtechnik häufig für Diagramme mit Pumpentypen und Pumpensystemkomponenten verwendet werden
Glossar der Einheiten
Eine Übersicht der Maßeinheiten in der Vakuumtechnik, die Bedeutung der Symbole und die modernen Pendants historischer Maßeinheiten
Verweise und Quellen
Verweise, Quellen und weiterführende Literatur zu den Grundlagen der Vakuumtechnik