Rotor of a molecular pump

Die molekulare Luftpumpe von Wolfgang Gaede

Zum 80-jährigen Todestag von Wolfgang Gaede - von Guido Pfefferle und Gerhard Voss

Das Innenleben einer molekularen Luftpumpe in historischen Bildern

Wolfgang Gaede starb am 24. Juni 1945 in München. Mit diesem Artikel erinnern die Autoren an den 80. Geburtstag seines Todes und veröffentlichen erstmals Bilder, die das Innere einer molekularen Luftpumpe von E. Leybolds Nachfolgern zeigen.

Das Patent der molekularen Vakuumpumpe von Gaede

Kaiserliches Patentamt [Berlin] - Patent Nr. 239213 Dr. Wolfgang Gaede in Freiburg im Breisgau - Drehende Vakuumpumpe - Patentiert im Deutschen Reich ab dem 3. Januar 1909

Der Titel des Patents Nr. 239213 mag auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär klingen. Hinter dem Namen „ Drehende Vakuumpumpe “ steckt jedoch ein echter Meilenstein in der Vakuumtechnologie: die molekulare Luftpumpe.

In der o.g. Patentschrift schreibt Wolfgang Gaede: "Die molekulare Luftpumpe nutzt zur Förderung des Gases ausschließlich die Reibung zwischen dem gepumpten Gas und einer sich schnell bewegenden festen Oberfläche. Die Verwendung einer „Sperrflüssigkeit“ wie Quecksilber oder Öl ist nicht erforderlich. " In der heutigen Terminologie bedeutet dies: Die molekulare Luftpumpe von Wolfgang Gaede war die weltweit erste trockenverdichtende Vakuumpumpe.

Patentierte molekulare Luftpumpe von Gaede

Abbildung 1 [3] zeigt links die molekulare Luftpumpe, die von Leybold nach dem Patent von Gaede gebaut wurde, hier beim Evakuieren einer Röntgenröhre. Als Vorvakuumpumpe kommt selbstverständlich eine Drehschieberpumpe von Leybold zum Einsatz.

Das Funktionsprinzip der molekularen Luftpumpe

In seiner Habilitationsarbeit [1] führte Wolfgang Gaede den Begriff „ äußere Reibung von Gasen “ ein, der die Wechselwirkung von Gasmolekülen mit einer sich schnell bewegenden Feststoffoberfläche beschreibt. Seine molekulare Luftpumpe arbeitet nach diesem Prinzip. Eine schematische Darstellung des Funktionsprinzips der Pumpe findet sich in der Vorläufige Mitteilung über eine neue Hochvakuumpumpe, veröffentlicht 1912 von E. Leybold’s Nachfolger [2].

Schematische Darstellung des Funktionsprinzips einer molekularen Pumpe

Die in [2] enthaltene „Abbildung 2“ wird in diesem Artikel als Abbildung 2 wiedergegeben. Begleitet wird sie von folgendem Originaltext: "In den Zylinder A, der sich um die Achse a dreht, werden Nuten der Tiefe b und der Breite a eingeschnitten. In einem Abstand h ' ist A von einem zylindrischen Gehäuse B umgeben. Auf einer Seite befindet sich ein Lamellenkamm C, das am Gehäuse B befestigt ist, ragt in die Rillen." [In Abbildung 1 (links) wird Gas von n nach m transportiert, wenn sich Rotor A mit hoher Geschwindigkeit im Uhrzeigersinn um die Achse a dreht. Ein unerwünschter Gasflussverlust tritt auf, wenn Gas von m nach n durch den Spalt zwischen C und A zurückfließt. In der technischen Ausführung der Pumpe darf dieser Spalt daher nicht mehr als wenige Hundertstel Millimeter breit sein.] [Um das bestmögliche Hochvakuum zu erzielen, muss das Gas zwischen dem Pumpeneinlass (Hochvakuumseite) und dem Pumpenauslass (Vorvakuumseite) deutlich komprimiert werden. Dies geschieht nach folgendem Prinzip:] „Die einzelnen Nuten sind in Reihe geschaltet, so dass die Öffnung m mit n₁, m₁ mit n₂ usw. verbunden ist. Dadurch nimmt der Gasdruck kontinuierlich von den Enden des Rotors zur Mitte hin ab.“

Das technische Design von Leybold

Längsschnitt einer molekularen Pumpe

Abbildung 3 [3] zeigt den technischen Aufbau der molekularen Luftpumpe von Leybold im Längsschnitt entlang der Rotorachse a. Das in Abbildung 3 schraffierte Gehäuse B trägt die obere Baugruppe K und ist „luftdicht“ daran befestigt. Der aus einem massiven Messingzylinder gefertigte Rotor A ist starr mit der Achse a verbunden. In den Messingzylinder sind Nuten D eingefräst, in die sich der Lamellenkamm C (dunkle Schraffur) erstreckt. Darüber hinaus kennzeichnet S den Hochvakuum-Einlass der Pumpe, während H die Riemenscheibe kennzeichnet, mit der die Achse a angetrieben wird. Es ist erwähnenswert, dass das wahre Geheimnis der Pumpe in der oberen Baugruppe K liegt. Sie enthält ein komplexes System von Gasverteilungskanälen, von denen es keine Zeichnungen oder Fotos gibt.

Ein Blick ins Innere der Leybold-Pumpe

Um das Innere der molekularen Luftpumpe zu untersuchen, haben wir zunächst die vier Schrauben entfernt, mit denen die obere Baugruppe K befestigt ist. Nach dem Lösen konnte die Baugruppe aus dem Gehäuse B gehoben werden – und wir waren wirklich überrascht. Zwischen Baugruppe und Gehäuse gab es keine Dichtung, nur Messing auf Messing mit etwas Fett.

Unterseite der zurückgeklappten Oberbaugruppe

Abbildung 4 zeigt sowohl die Unterseite der zurückgeklappten Oberbaugruppe K als auch die Oberseite des Gehäuses B. Wir werden uns die Unterseite von K in Abbildung 6 genauer ansehen. Auf der Oberseite von B ist eine Reihe von Schlitzen zu sehen, die mit dem Inneren von B verbunden sind – und damit auch mit den Nuten im Rotor. Zusätzlich ist der Lamellenkamm C auf der Oberseite von B montiert, parallel zur Längsachse der Pumpe ausgerichtet. Die Bohrungen für die Befestigungsschrauben sind auch in Abbildung 4 zu sehen. Nach Ausbau der in Abbildung 3 dargestellten Bauteile E, F, G und H konnten wir den Rotor A herausziehen und messen. Nach unseren Messungen hat er einen Durchmesser von 100,00 + 0,01 mm. Um das Zusammenspiel zwischen Lamellenkamm und Rotor zu demonstrieren, haben wir den aus einem einzigen Stück Messing gefrästen Kamm in die Nuten des Rotors eingeführt. Dies ist in Abbildung 5 näher dargestellt.

Rotor einer molekularen Pumpe

Damit der Mechanismus wie in Abbildung 2 dargestellt funktioniert, sind feine mechanische Präzision und Reproduzierbarkeit innerhalb von Hundertstelmillimetern unerlässlich. Bereits 1912 konnte Leybold dieses Maß an Präzision erreichen.

Unterseite der Oberbaugruppe

Mit Abbildung 6, die die Unterseite der oberen Baugruppe K im Detail zeigt, kommen wir näher an das „geheime“ Innenleben der molekularen Luftpumpe heran. Mit einer Metallreinigungsflüssigkeit haben wir die inneren Kanäle nachverfolgt.

So konnten wir den komplexen Weg des Gases zwischen der Hochvakuumseite (HV) und der Vorvakuumseite (FV) im Detail verfolgen: Der Einlass auf der Hochvakuumseite (HV-Anschluss S, oben links in Abb. 6) ist mit Position 1 in Abb. 6 verbunden. Von dort transportiert der Rotor das Gas zur Position 2 rechts. Das bedeutet, dass sich der Rotor – von der beschrifteten Seite des K aus gesehen ( E. Leybold’s Nachfolger, Coeln und Berlin, Deutsches Kaiserpatent ) - gegen den Uhrzeigersinn drehen muss.

Durch den mit Weichlot gefüllten sichtbaren Kanal strömt das Gas von 2 rechts nach 2 links, dann über den Rotor nach 3 rechts, über einen Kanal in K nach 3 links, durch den Rotor nach 6 rechts, über einen Kanal in K nach 6 links, durch den Rotor nach 4 rechts, über einen Kanal in K nach 4 links, durch den Rotor nach 7 rechts, über einen Kanal in K nach 7 links, durch den Rotor nach 5 rechts, über einen Kanal in K bis 5 links, durch den Rotor bis 8 rechts und schließlich über einen Kanal in K bis 8 links, von wo aus er die Ringnut (FV-Position) erreicht, die mit der Vorvakuumpumpe verbunden ist.

Entschuldigen Sie die langwierige Erklärung – aber nach 113 Jahren musste sie aufgeschrieben und dokumentiert werden. So konnten wir die Aussage von Wolfgang Gaede experimentell bestätigen, dass das Gas aus der Mitte der Pumpe entnommen wird. Der genaue Aufbau des inneren Kanalsystems in K kann vermutlich nur zerstörungsfrei mittels Röntgen bestimmt werden. Es ist zu beachten, dass die mit der Vorvakuumpumpe verbundene Nut den inneren Hochvakuumbereich in einem Ring umgibt.

Diese Konstruktion stellt sicher, dass jegliche Luftleckage aus der Umgebung (1000 mbar) in die Nut (0,1 mbar) von der Vorvakuumpumpe abgefangen wird. Die Druckdifferenz zwischen Ringnut und Position 1 ist typischerweise 10.000-mal kleiner als die Druckdifferenz zwischen Umgebungsatmosphäre und Nut. Dadurch ist die Leckage von der Nut zur Position 1 deutlich geringer als von der Umgebung in die Nut. Zusammenfassend: Die ringförmige Nut schützt den Hochvakuumbereich vor Luftaustritt aus der Umgebungsatmosphäre.

Epilog

Leybold kann sich glücklich schätzen, dass im Gaede-Archiv zwei originale molekulare Luftpumpen erhalten geblieben sind. Dieser glückliche Umstand inspirierte die Idee, eine der Pumpen wieder in den Betriebszustand zu versetzen. Dies wurde erfolgreich erreicht – aber es gibt noch viel zu tun, um den Betrieb der Pumpe vollständig zu optimieren.

Einzelnachweise

[1] Wolfgang Gaede Habilitationsthesis: Die äußere Reibung der Gase Universität Freiburg im Breisgau, 1912 [2] Vorläufige Mitteilung über eine neue Hochvakuumpumpe (Molekulare Luftpumpe) nach Dr. Gaede E. Leybold’s Nachfolger, Köln am Rhein, 1912 [3] Sonderpreisliste Nr. VI über molekulare Luftpumpen nach Dr. Gaede E. Leybold’s Nachfolger, Köln am Rhein, 1912

Verfasser:

Guido Pfefferle

Prototyping und Werkzeugbau E-Mail: [email protected]

www.leybold.com

 

Dr. Gerhard Voss

Gaede Archive Köln

E-Mail: [email protected]

www.gaedestiftung.org

Leybold employee

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